Autor Moritz Kinskofer im Interview
Moritz Kinskofer hat im Februar sein Werk „Bewegungsförmiger Rechtsextremismus – Militia of Montana und Identitäre Bewegung im Vergleich“ im Tectum Verlag veröffentlicht. Darin untersucht er die Militia of Montana sowie die Identitäre Bewegung und vergleicht sie hinsichtlich ihrer Gewaltdisposition, Organisationslogik und Strategie. Zentral sind dabei wandelbare Verschwörungsmythen, Tendenzen zu dezentralen Strukturen sowie die Befürwortung von Gewalt. Wir haben uns mit dem Autor über sein Buch unterhalten:
Ihr Werk „Bewegungsförmiger Rechtsextremismus“ ist neu und als erster Band unserer Reihe „Young Academics: Politikwissenschaft“ erschienen. Was versteht man unter dem Begriff des bewegungsförmigen Rechtsextremismus?
„Unter Rechtsextremismus versteht man grundsätzlich die Ablehnung egalitärer Elemente einer demokratischen Verfassung. Liberalismus, Pluralismus und die politische Gleichberechtigung aller Menschen bedeuten für ihn eine Bedrohung für die Überlegenheit und das Wohl der eigenen Nation, Ethnie und Kultur. Auch wenn Parteien wie die italienische Fratelli d’Italia oder Teile der AfD die wohl prominenteste Form des Rechtsextremismus darstellen, kann man immer häufiger beobachten, dass Mobilisierung auch außerhalb der Parteiförmigkeit erfolgt – meist auf der Straße bei Demonstrationen, aber auch in Verbindung mit Gewalt oder durch Aktivismus im Internet. Dies kann einerseits darauf zurückgeführt werden, dass viele politische Systeme wie das der USA eine politische Integration extremistischer Parteien nahezu unmöglich machen. Andererseits darauf, dass Bewegungen von staatlicher Seite schwerer überwacht werden können als Parteien, bei denen klare Strukturen und Verantwortliche existieren.“
Was ist das Hauptziel Ihrer Arbeit?
„Die Arbeit soll erstens erklären, wie die Entstehungsphasen einer rechtsextremen Bewegung nachvollzogen werden können. Daraus lassen sich im Idealfall auch Möglichkeiten der Prävention ableiten. Zweitens soll die Gefahr verdeutlicht werden, die von einer Verlagerung extremistischer Akteure in das Internet ausgeht. Denn damit geht auch eine gewisse Normalisierungsstrategie einher: Die Militia of Montana (MOM) bot in ihrem Onlineshop neben Ratgebern zum Jagen auch Infomaterial zum Bombenbau sowie Rabatte beim Kauf von Anleitungen zu Terrorismus an und bereitete so ihre Kundschaft auf den Widerstand gegen den Staat vor. Die Identitäre Bewegung (IB) versucht meist auf sozialen Medien, durch Chiffren und Umschreibungen Rassismus und Antisemitismus salonfähig zu machen, und bietet rechtsextreme Parallelwelten als Apps an. Da ich zu Beginn meines Studiums mit Infomaterial der IB in Berührung gekommen bin, war es aber auch mein persönliches Anliegen, diese Bewegung näher zu betrachten.“
Und wen möchten Sie mit ihr erreichen?
„Da die Arbeit Primärquellen der MOM und der IB untersucht, richtet sie sich einerseits an Forschende, die eine Einordnung der Entstehung beider Bewegungen sowie ein wissenschaftliches Verständnis derer Ideologie suchen. In der deutschsprachigen Forschung ist die MOM, aber auch die Milizbewegung generell, ein sehr spärlich behandeltes Phänomen, worauf das Buch mit einer Klassifikation der Milizbewegung allgemein sowie der MOM als Besonderheit antwortet. Zwar ist die IB schon besser erforscht als die MOM, trotzdem wird in der Arbeit versucht, vor allem ihre metapolitische und digitale Strategie zu beleuchten. Andererseits soll das Buch auch interessierte Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzen, erreichen. Gerade die Analyse des Engagements der Zivilgesellschaft gegen die Aktionen der IB sowie die Ausführungen über deren Deplatforming sollen auch nicht-staatlichen Akteuren verdeutlichen, wie wichtig konsequente Antworten auf Rechtsextremismus auf der Straße und im Netz sind.“