Nach dem Scheitern zum Erfolg: Wie Mitarbeiter:innen neue Chancen schaffen

06.06.2024

Nach dem Scheitern zum Erfolg: Wie Mitarbeiter:innen neue Chancen schaffen

Autorin Cordia Ylinen im Interview über ihr Buch

Wie können gescheiterte Veränderungsprozesse in neue Chancen verwandelt werden? Dieser Frage widmet sich Cordia Ylinen in ihrem neuen Buch „Erfolgreiche Veränderungen nach gescheiterten Change-Management-Prozessen“. In ihrer Studie beleuchtet sie die Perspektive der betroffenen Mitarbeitenden und zeigt, wie transparente Kommunikation und Partizipation den Schlüssel zum Erfolg nach einem Scheitern darstellen.

Frau Ylinen, Ihr Buch „Erfolgreiche Veränderungen nach gescheiterten Change-Management-Prozessen“ wirft einen interessanten Blick auf die Perspektive der betroffenen Mitarbeitenden. Welche zentralen Erkenntnisse haben Sie aus Ihrer Forschung gewonnen, die helfen können, gescheiterte Veränderungsprozesse in neue Chancen zu verwandeln?

Die wichtigste Erkenntnis ist, dass Mitarbeiter:innen auch nach einem Scheitern noch an der Veränderung mitarbeiten würden. Oft wurde bereits viel Zeit, Energie und Arbeit in den Change investiert und die Fachkräfte sind motiviert, das Beste daraus zu machen.
Während in der Literatur oft der Widerstand der Mitarbeiter:innen als wichtiger Grund für das Scheitern von Veränderung gesehen wird, beschrieben die Interviewten eher, dass die Führungskräfte den Change irgendwann „schleifen lassen“. Das Veränderungsvorhaben verschwindet in der Schublade und alle, die hart dafür gearbeitet haben, sind frustriert.
Neue Chancen nach dem Scheitern sind möglich, wenn das Scheitern als Teil des Prozesses angesehen wird und das Unternehmen daraus lernt. Die wichtigsten Strategien dafür sind eine wertfreie Prozessanalyse und transparente Kommunikation mit allen Beteiligten und Betroffenen. 

Sie betonen in Ihrem Buch, wie wichtig transparente Kommunikation und Partizipation für den Erfolg von Veränderungsprozessen nach einem Scheitern sind. Können Sie uns Beispiele nennen, wie Unternehmen diese Prinzipien effektiv umsetzen können, um trotz anfänglicher Rückschläge erfolgreiche Veränderungen zu erreichen?

Wie gesagt, sind Mitarbeiter:innen grundsätzlich bereit, ein Veränderungsvorhaben auch nach dessen Scheitern weiter zu unterstützen. Dafür ist es notwendig, dass sich die Kommunikation im Unternehmen verändert. Transparenz funktioniert, indem das Unternehmen zunächst ganz klar und offen zeigt, an welchem Punkt der Veränderung es aktuell steht. Scheitern muss erlaubt sein und soll offen kommuniziert werden. Wir dürfen das Scheitern als ein Zwischenergebnis betrachten. Es braucht die Erkenntnis, dass daran nicht eine Person oder Personengruppe „schuld“ ist, sondern jede betroffene/ beteiligte Person einen Anteil an der Entwicklung hat. Deshalb analysieren wir die Prozesse genau und schauen, wo wir falsch abgebogen sind oder wo und wie unterwegs Informationen, die Motivation oder die Vision verloren gegangen sind.
Diese Erkenntnisse werden mit allen Beteiligten geteilt.
Ja, das fühlt sich erstmal aufwändig und vielleicht sogar schmerzhaft an und ist der beste Schritt in die gelingende Veränderung.  

Partizipation bedeutet die Einbeziehung aller betroffenen Mitarbeiter:innen in den Veränderungsprozess. Klar, in einem produzierenden Unternehmen mit 5000 Mitarbeiter:innen können wir kein Einzelgespräch mit jede:r Einzelnen führen. 
Gleichzeitig sollte jede Person regelmäßig so informiert werden, dass sie versteht, worum es geht und was zu erwarten ist. Auch Feedback sollte für jede Person möglich sein. Unternehmen können sich immer fragen: „Was kostet mehr? Moni vom Fließband anzuhören und ihre Meinung in die Planung einfließen zu lassen, oder das Fließband stehen zu lassen, weil Moni und ihre Kolleg:innen in den Widerstand gehen, wenn sie übergangen werden?“.
Partizipation und Transparenz treffen sich, wenn Moni vom Fließband auch ein Feedback dazu bekommt, inwiefern ihre Meinung in den Prozess eingeflossen ist. Und ja, sie muss nicht einfließen. Dann gern mit einer, für Moni, nachvollziehbaren Begründung. 

Mitarbeiter:innen, die das Gefühl haben, ein Teil des Ganzen zu sein, bleiben auch in schweren Zeiten lange motiviert. Diese Menschen haben Lust, Prozesse mitzugestalten und geben oft wertvolle Hinweise aus dem eigenen Arbeitsbereich, die das Change-Team gar nicht sehen kann. 

Als erfahrene Beraterin für zwischenmenschliche Kommunikation in Unternehmen haben Sie sicherlich einen breiten Einblick in verschiedene Organisationen und deren Umgang mit Veränderungen. Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen, denen sich Unternehmen gegenübersehen, wenn es darum geht, gescheiterte Change Management Prozesse zu überwinden und erfolgreiche Transformationen zu erreichen?

Die Kommunikation ist aus meiner Erfahrung die größte Herausforderung. Oft wird zu wenig kommuniziert, dann beantwortet der Flurfunk alle Fragen und es kommen „fake news“ in den Umlauf. Schweigen kann für Teams auch ein Hinweis darauf sein, dass das Projekt nicht wichtig genug ist, dass die Führungskräfte/ das Change-Team selbst nicht dahinter stehen oder dass man nicht für kompetent genug gehalten wird, um solche Themen zu besprechen.
Wenn Menschen von einem Veränderungsprozess betroffen sind und nicht beteiligt werden, dann fühlen sie sich schnell machtlos und übergangen. Das zerstört jede Motivation, besonders bei sehr engagierten und interessierten Menschen (die eine wichtige Ressource für den Change sind).
Ich erlebe in Unternehmen oft eine große Frustration bei Mitarbeiter:innen, wenn Veränderungsvorhaben nach einigen Monaten harter Arbeit einfach unkommentiert in der Schublade verschwinden. Oft höre ich dann die Führungskräfte und erkenne den Grund, warum das Projekt nicht weiterverfolgt wurde. Diese Gründe sind meistens nachvollziehbar. Da schon das nächste wichtige Projekt in den Startlöchern stand, wurde dann aber nicht mehr drüber gesprochen. Mitarbeiter:innen hören irgendwann auf, sich für neue Veränderungen zu engagieren, wenn sie davon ausgehen, dass diese auch wieder im Sande verlaufen. Dienst nach Vorschrift steht dann auf der Tagesordnung und davon wird keine Organisation und kein Unternehmen erfolgreich.
Ähnliche Auswirkungen erlebe ich auch, wenn zu viel, zu kompliziert oder über die falschen (immer gleichen) Kanäle kommuniziert wird. Jeder Mensch hat andere Wahrnehmungsbevorzugungen. Eine Person liest gern Texte, die andere hört sich etwas an und die nächste schaut gern ein Video. Niemand will mehr als 5 Minuten am Stück reine Informationen aufnehmen und jede:r profitiert davon, wenn Informationen in die eigene Arbeitswelt transportiert werden und es die Möglichkeit für Fragen oder Feedback gibt.
Gute Change-Kommunikation ist transparent, auf Augenhöhe und für jede Zielgruppe individuell aufbereitet. Dafür braucht es eine sehr konkrete Vision und die entsprechend akribische Planung des Prozesses. Auch wenn es zunächst schief gelaufen ist, können wir den Prozess jederzeit in eine neue Richtung bringen. Dazu habe ich das Neustart-Modell im Buch entwickelt.
Es ist nie zu spät, einen erfolgreichen Change zu feiern!

Neue Chancen nach dem Scheitern sind möglich, wenn das Scheitern als Teil des Prozesses angesehen wird und das Unternehmen daraus lernt.

Cordia Ylinen, M.Sc.

Cordia Ylinens Buch „Erfolgreiche Veränderungen nach gescheiterten Change-Management-Prozessen“  ist ein unverzichtbarer Leitfaden für alle, die aus gescheiterten Change-Management-Prozessen lernen und diese in erfolgreiche Transformationen verwandeln möchten.